leicht geändert/durchgesehen im April 2022

Überarbeitungen & Korrekturen

sind zwar zwei paar Schuhe, die Grenzen sind aber fließend. Beim Korrekturlesen wird auf die Rechtschreibung und Einhaltung der grammatikalischen Regeln geachtet. Mehr nicht. Sie setzt voraus, dass die Aussagen bereits vollständig und folgerichtig formuliert sind. Diese Voraussetzung stimmt aber selten.

Es sind zwei weitere Situationen in der betrieblichen Praxis zu unterscheiden, je nachdem, ob eine Übersetzung mit Ausgangstext vorhanden ist oder nur einsprachige Texte vorliegen, die auf Fehler durchgesehen werden sollen (was oft nachgefragt wird, wenn der Text von einem Nichtmuttersprachler verfasst wurde).

Im Falle einer halbwegs misslungenen Vorlage kann die Entfernung von Schreibfehlern die Sache allerdings nicht ganz retten. Problematisch wird es, wenn die Sätze rechtschreibmäßig und grammatikalisch in Ordnung sind, dafür aber Aussagen bringen, die vermutlich nicht gemeint waren. Noch problematischer wird es, wenn die einzelnen Sätze sich zwar schön lesen, die Satzfolge aber unlogisch ist.

Da hilft nur eine Überarbeitung, die vom Aufwand her die Grenzen schnell sprengt, denn sie kommt einer Neuübersetzung - oder Neuschreibung – gleich. (Es ist noch schlimmer, denn, wenn der neue Übersetzer sich die alte Vorlage vornimmt, um diese nur zu korrigieren, übersieht er leicht die vollkommen verkehrten – aber zunächst überzeugenden – Deutungen, die in der Altübersetzung stecken; das sind Versehen, die er bei der eigenen frisch angegangenen Übersetzung nicht begehen würde.)

Was leider in der Übersetzungsbranche vermehrt vorkommt, da Wenige tatsächlich zwei Sprachen und ein Fachgebiet ausreichend beherrschen (es handelt sich dabei um die Mindestanforderungen), ist eine Überarbeitung in Richtung einer einigermaßen flüssigen Formulierung, die sich aber mit den wesentlichen Aussagen des Originals nicht mehr deckt. Vorgeblich „professionelle“ Sprachunternehmen teilen die Aufgaben so lange auf, bis kein Finger mehr weiß, was die Anderen machen. So geht im Prozess jeglicher Gesamtblick unter. Es ist keiner mehr da, der den Gesamttext und seine Übersetzung kennt und für deren Richtigkeit gerade stehen kann. Wenn hinzu kommt, dass bereits mehrere Verfasser am Originaltext beteiligt waren und dieser somit von vornherein uneinheitlich ist, so kann ein einziger Fachübersetzer die Sache noch retten. Ein Team aber auch nicht.

Respekt & Zurückhaltung

Ein ganz anderes Thema ist die Eifrigkeit, mit der ein gelungener Text (ob Übersetzung oder Original) von Anderen „korrigiert“ wird. Die gute Leistung des Verfassers oder Übersetzers wird nicht selten abgeschwächt, indem ein Dritter herangezogen wird. Dieser rechtfertigt seinen Einsatz (und sein Honorar) damit, dass er zahllose „Fehler“ korrigiert oder zumindest „Verbesserungen“ vornimmt.

Es gibt im Übrigen keine Formulierung, die nicht auch anders gestaltet werden kann. Ob nun die neue Formulierung gleich gut, besser oder schlechter ist, steht jeweils auf einem anderen Blatt. Manchmal kann da kein Beteiligter mehr klar beurteilen, denn es steckt zu viel Subjektives darin. Man muss also wissen, wann man die Finger von einem Text lassen sollte. Das können ---- oder wollen ---- aber die Wenigsten, obwohl zur Professionalität in diesem Beruf die Selbstbeherrschung im Sinne des Respektes vor der Sprache der Anderen ebenfalls gehören müsste.

Oben stand geschrieben, dass Wenige tatsächlich zwei Sprachen und ein Fachgebiet ausreichend beherrschen. Noch eine Anmerkung diesbezüglich: Man könnte die Überzeugung unterhalten, man müsse zwar über sehr viel an Fertigkeiten verfügen, um übersetzen zu können, eine Übersetzung zu kontrollieren wäre aber wesentlich weniger anspruchsvoll und die ordentliche Kontrolle würde somit weniger Können erfordern. Es ist eher umgekehrt. Fazit: Arbeiten Sie in diesem Bereich erst recht nur mit erfahrenen und Ihnen vertrauten Übersetzern zusammen. Stimmen Sie die Eckpunkte der Leistung ab. Am einfachsten setzen Sie bei der Auftragsvergabe eine vorläufige Obergrenze nach Stunden oder Honorar, die dann nur bei überzeugender Begründung erhöht wird.