ZEILENWERT

Abrechnung nach Zeilen und Zeilenwert

Bei der Bestimmung des Preises für eine längere Übersetzung spielt unvermeidlich an erster Stelle deren Umfang – aber nicht nur, denn selbstverständlich sind nicht alle Zeilen und Wörter gleich. Deshalb muss, wenn eine feste Abrechnung nach Anzahl der Zeilen oder sogar Wörter (z.B. aufgrund betrieblicher Vorgaben) gewünscht wird, deren Ungleichheit mit in die Abrechnung einfließen. Wie auch in jedem anderen Gewerbe, entstehen die Unwägbarkeiten durch nicht vorher zu bestimmende Erschwernisse. So kann der Ausgangstext auf einmal ungrammatikalische oder sonst unstimmige Passagen enthalten; ein Schachtelsatz muss zur Übersetzung erst auseinandergepflückt werden; oder es werden einzelne Ausdrücke ungewöhnlich oder uneinheitlich verwendet. Ein einziger Text kann von zwei Autoren stammen, wobei der eine klar und übersetzungsfreundlich schreibt, der andere verworren und schwerfällig. Dies nur als Beispiele.

Wenn schon ein Zeilenpreis vereinbart wurde, so können solche Passagen am einfachsten mit einem doppelten oder dreifachen Satz berechnet werden. So kann aus hundert sichtbaren oder gezählten Zeilen (jeweils à 50 bis 60 Zeichen – die Handhabung in der Branche variiert) doch auf der Rechnung ein Zeilenwert von z.B. 130 entstehen. Die Erklärung (d.h. wie aus 100, 130 wird) kann informell als E-Mail oder in der Form einer Anlage zur Rechnung übermittelt werden.

Übrigens ist es schon länger die Praxis unter denjenigen gewesen, die nach Anzahl der Wörter berechnen, die langen Wörter doppelt zu zählen. Ebenso ist es umgekehrt üblich (und konsequent) Satzwiederholungen ermäßigt mitzuzählen und Namenslisten gar nicht.

Im Normalfall ist es Aufgabe des Auftraggebers, für einigermaßen sauber geschriebene Vorlagen zu sorgen, soweit diese von ihm stammen. Wenn die Ausgangstexte vom Übersetzer praktisch zuerst redigiert, gedeutet oder neu geschrieben werden müssen, entsteht ein zusätzlicher Aufwand, der mit in die Rechnung einfließen muss. Die jeweilige Abweichung vom Regelsatz bzw. der einfachen Zählung lässt sich dann auch objektiv begründen. Die entsprechenden Passagen können gekennzeichnet werden. Die Übermittlung dieser Stellen („Stolpersteine“) – falls gewünscht – kann ferner zu einem bereichernden Austausch führen, der im Laufe der Zusammenarbeit die Qualität & Effizienz steigert und Kosten senkt. (Natürlich ist die Situation anders, wenn der Text nicht von der Auftraggeberfirma stammt, sondern von einem Geschäftspartner oder sonst von außen kommt.)

Ähnliches gilt für Termini, besonders wenn diese nicht zur vorliegenden Textgattung gehören bzw. unpräzise oder unterschiedlich verwendet werden. Fast jede Recherche um einen seltenen oder unpräzisen Begriff kostet mehrere Minuten, und auch bei einem bescheidenen Stundensatz kommt somit schnell ein kleiner Kostenposten zustande. Dafür aber, wenn einmal die Übersetzung des Begriffs feststeht, schlägt sie sich später im Preis nicht mehr nieder. Das ist auch mit ein Grund, eine dauerhafte Beziehung zu Ihren Übersetzern zu pflegen.

Man darf im Übrigen nicht von einem gewissenhaften Übersetzer erwarten, dass er Übersetzungen von unsicheren Quellen ungeprüft übernimmt – erst recht nicht aus dem Internet, wie dies bei großen Datenbänken wie DeepL geschieht. Der wendige Übersetzer kann ferner oft schneller neu übertragen als eine vorhandene Fassung auf Übereinstimmung mit dem Ausgangssatz hin überprüfen und dem restlichen Text stilistisch anzupassen. Die leichtfertige Übernahme von Bausteinen (z.B. Translation Memory units) führt eher zu einer Patchworkübersetzung, die für den Nutzer die zielgerechte Auffassung der Inhalte oder Informationen deutlich erschwert. Ein einheitlicher Stil ist nicht nur eine Sache der Ästhetik, er zeigt sich auch in der gelungenen Vermittlung der Botschaft.